Symposium
Sommersemester 2015
1988 zeigte Ilya Kabakov in der Galerie Feldmann in New York die Ausstellung „Ten Characters“, eine Installation, die aus zwei sorgsam installierten russischen Kommunalwohnungen bestand. Ein unachtsam abgestellter, alter Stuhl, ein gefüllter Putzeimer und eine volle Wäscheleine vermittelten dem Besucher beim Durchschreiten der Räume den Eindruck, die Bewohner wären nur vorübergehend abwesend. Einer von ihnen allerdings hatte sich offenbar aus seiner mit kommunistischen Propagandaplakaten tapezierten Kammer mittels eines selbst gebauten Katapults in den Weltraum geschossen. Zumindest ließ das Loch in der Decke darauf schließen.
In Kabakovs immersive Installation entwickelt sich über ein Gefüge von Gegenständen, Räumen, Licht und Texten, durch das der Betrachter geleitet wird, eine Art Geschichte. Installationen, die gleichzeitig als Bühnenraum fungieren, betritt man als Besucherin auf Theaterfestivals und in Ausstellungen immer häufiger. Die Darsteller können Gegenstände, Schauspielerinnen oder auch die Besucher selbst sein. Die Arbeiten von darstellenden Künstlerinnen wie Christoph Schlingensief, Ivana Müller, Rimini Protokoll oder von bildendenden Künstlern wie Janet Cardiff und George Bures Miller, Pierre Huyghe oder Walid Raad scheinen darauf angelegt, tradierte Rezeptions- und Darstellungsgefüge in Frage zu stellen.
Im Gegensatz zu dem narrativen Einsatz von Gegenständen bei Kabakov, setzen andere Künstler, wie beispielsweise Heiner Goebbels in seiner performativen Installation „Stifters Dinge – The Unguided Tour“ (2013), Objekte als Darsteller ein oder nutzen sie wie William Forsythe in seinen choreographischen Installationen als Dinge, die eine Choreographie aktiv beeinflussen und selbst „performativ“ werden. Einen ähnlichen performativen Einsatz von Gegenständen findet man bereits in den 1960er Jahren in den Arbeiten Lygia Clarks, Franz Erhard Walthers oder Robert Morris‘.
Welche Arten der Erfahrung ermöglichen diese künstlerischen Arbeiten im entgrenzten Raum zwischen Installation und Performance? Welche Rolle spielen dabei die Performerinnen, die Besucher und die Räume, die einen umgeben? Können Gegenstände eingesetzt werden, um Geschichten zu erzählen? Wie aktivieren sie die handelnden Schauspieler oder Zuschauerinnen? Können sie auch selbst performativ werden? Wie entsteht der „immersive“ Effekt mancher Installationen, in die man eintaucht wie in eine andere Realität? Und ist es möglich, in der Immersion kritische Distanz zu bewahren? Was ist dann der Unterschied zu Darkrides oder Themenparks?
Studierende des Fachbereichs Szenografie/Ausstellungsdesign der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen konzipierten, organisierten und gestalteten ein gemeinsames thematisches Wochenende, das im Rahmen des Festivals PREMIÈRES am Badischen Staatstheater Karlsruhe, am 5. und 6. Juni 2015 stattfand.
Bei dieser Veranstaltung wurden die hier skizzierten Fragestellungen zu narrativen Räumen, immersiven Installationen und performativen Objekten wissenschaftlich und künstlerisch verhandelt. Im Rahmen von Vorträgen und Gesprächen mit Gästen wie André Eiermann, Herbordt & Mohren, Stefan Kaegi (Rimini Protokoll), Anne Imhof, Kirsten Maar, Thomas Bo Nilsen, Juliane Rebentisch und Benjamin Wihstutz sollten einzelne künstlerischer Arbeiten vorgestellt und Aspekte dieser Arbeiten von Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen diskutiert werden. Darüber hinaus wurden performative Installationen von jungen Künstlerinnen gezeigt.
Eine Kooperation der HfG Karlsruhe, der ATW, der Justus-Liebig-Universität Gießen und des Badischen Staatstheaters Karlsruhe, mit Beteiligung der Staatliche Akademie für Bildende Kunst Stuttgart und der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg.
2015
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