Vordiplom
Sommersemester 2015
Betreuung:
Prof. Heike Schuppelius, Prof. Vadim Fishkin
Studierende/r:
Laytbeuis (Felix Buchholz, Sascha Jungbauer, Jonas Beile)
„Von nichts anderem […] als von Gegenwart ist hier die Rede, einer Gegenwart allerdings, in die ihre Tendenz mit einbegriffen ist. […] [Einer] realen, konkreten Dauer, wo Vergangenheit und Gegenwart nur Eines bilden.“1)
Henri Bergson
Die Simultanität des Gegenwärtigen durchdringt die Wahrnehmung der Zeit und verkehrt den Augenblick zum stehenden Jetzt. Vergangenes und Zukünftiges schmilzt als Wahrnehmungsbild der Gegenwart zu einer Dauer im ideellen Raum, der nur Gleichzeitigkeit kennt. Die Illusion der objektiven, homogenen Zeit zerfließt in ein subjektives Observatorium der nicht wahrnehmbaren Unschärfe einer Ganzheit. Ein Inneres spannt sich zwischen zwei lebensgroßen, rechteckigen Metallplatten auf, die in einem fragilen Verfallsmoment zu verweilen scheinen. Instabilität und Gleichgewicht vereinen sich in einer zum Boden zulaufenden V-Form und bedingen ihrer eigenen Gegensätzlichkeit. Ihre Dichotomie wird von Saiten aufgespannt und modelliert ein scheinbar statisches System einer Verbindung von der Außengrenze hin zur Mittellinie der Platten, sodass die Dualität in ein Ganzes aufgehen kann. Der fragile Innenraum wird zum visuellen Phänomen, der dem Außen die Sichtbarkeit abringt und das instabile Gleichgewicht in seiner körperlichen Abhängigkeit bewusst werden lässt. Das Hinterfragen des Selbstverständnisses der sichtbar verbundenen Struktur führt sich im akustischen Phänomen fort, indem auch eine Autonomie des Hörbaren erdacht wird. Die metallenen Platten werden mit Hilfe von Elektromagneten in eine innerliche und äußere Schwingung versetzt und erzeugen mittels der Saiten einen vielschichtigen, scheinbar autarken Sound. Allein durch die Anregung mit einer Frequenz, als künstlerische Entscheidung, und der darauf folgenden zyklischen Interaktion des Materials selbst geschaffen, wird das Geräusch vom distanzierten Rezipienten beobachtbar. Die klare Trennung von wahrnehmenden Subjekt und visuell sowie akustisch grenzwertig wahrzunehmenden Objekt erzeugt, durch die sichtbare Dichotomie der Form und dem komplexen Klang überlagerter Schichten, ein Vakuum der Dauer in der Gegenwärtigkeit. Das ausgedehnte, stehende Jetzt agiert als Überbrückung der linearen Zeitwahrnehmung in ihrer Objektiviertheit und untersucht den individuellen Prozess des Erinnerns. Die Überlagerung der Bedingungen und der Dualismus der Perzeptionsschichten diskutieren die Wahrnehmung in ihrer Bedingung der Erinnerung und individualisieren den Rezeptionsprozess des Werkes durch die Dauer der innerlichen Zeit – ein gegenwärtiges Jetzt ohne Trennung von Vergangenheit und Zukunft. In der Abstraktion des ideellen Raumes, gedacht als Innenraum der Form, kann man jedoch nicht von einer Ewigkeit sprechen, da diese einen unbegrenzten, ungedachten Raum bedingt, der allein eine Unzeitlichkeit impliziert. Die Gegenwärtigkeit der Dauer als stehendes Jetzt formuliert einzig eine individuelle verräumlichte Zeit. Das ästhetische Potenzial der Unkontrollierbarkeit erzeugt eine tiefe Störung zwischen beobachteter Installation als Metapher der subjektiven Zeitwahrnehmung und ausgeschlossenem Rezipienten. Doch diese Distanz reizt in ihrer selbsterhaltenden Wechselspannung die Faszination des Verfallsmomentes aus. Die Spezifik des Objektes problematisiert die Spezifik der Sinneswahrnehmung und macht diese in dessen Verkehrung von Innen und Außen ersichtlich, nicht ohne das Innere in seiner Unschärfe der Ganzheit zu repräsentieren. Das subjektive Observatorium wird zum künstlerischen Moment der dauernden Zeit im statischen Raum.
1) Bergson, Henri: Schöpferische Entwicklung, dt. Übers. Gertrud Kantorowicz, Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf, 1921, in: Ausgabe/Nachdruck‚ Reihe des literarischen Nobelpreises Nr. 27, Coron-Verlag, Zürich, S.66.
Text: Jenny Starick
2015
Vordiplom
Sommersemester
2015
Betreuung:
Prof. Heike Schuppelius, Prof. Vadim Fishkin
Studierende/r: